Freitag, 28. Oktober 2011

YS



Verlag: Ystari Games
Autor: Cyril Damaegd
2 bis 4 Spieler im Alter ab 12 Jahren spielen ca. 45-90 Minuten

Den großen Wurf hat Ystari ja bekanntlich mit einem anderen Spiel gemacht. Auf der Spiel 2005 wurde der Ruhm des Verlags mit Caylus begründet und machte die französische Spieleschmiede schlagartig bekannt. Ein Jahr zuvor debütierte Ystari, deren Markenzeichen die Verwendung der beiden Buchstaben Y und S in allen Spieletiteln ist, mit dem Mehrheitenspiel Ys. Und für mich war das Spiel damals die Initialzündung sich näher mit kleineren Spieleverlagen auseinander zu setzen.

Das Thema des Spiels ist die Phantasiestadt Ys. Die Spieler werden zu Händler-Prinzen, die ihre Mittelsmänner in die klar strukturierten Stadtviertel schicken. Viertel ist diesmal wörtlich zu nehmen. Auf dem Spielbrett findet sich eine kuchenartige Stadt, fein gegliedert in vier Viertel. Jedes Stadtviertel besteht des Weiteren aus einer Palastgegend, einer Geschäftsgegend und einer Hafengegend. Darüber hinaus findet sich auf dem Spielbrett ein Markt mit quadratischer Form, welcher in vier Zeilen und vier Spalten eingeteilt ist. Jede Spalte ist einer Edelsteinsorte zugeteilt und dazu passend kann man unter dem Markt den aktuellen Wert der einzelnen Edelsteinsorten ablesen. Dabei geht es im Spiel nicht um absolute Werte, sondern nur des Wertes in Relation zu den anderen Edelsteinsorten. Eine Sorte ist die wertvollste, die anderen sind entsprechend weniger Wert. Je nachdem, was die Anzeige hergibt.

Jeder Spieler hat nun elf Mittelsmänner zur Verfügung. Das sind zylindrische Holzklötze, die am einen Ende einen Aufkleber mit einer Zahl, und zwar den Werten Null bis vier, haben. Diese Mittelsmänner werden hinter einem Sichtschirm aufbewahrt. Anfangs wird auf die Zugreihenfolge geboten. Jeder Spieler stellt verdeckt zwei seiner Mittelsmänner vor seinen Sichtschirm. Gleichzeitig decken alle Spieler diese auf. Der Spieler, dessen Summe am höchsten ist, wählt eine sich eine Karte der Sitzreihenfolge. Er kann sich also entscheiden, ob er Startspieler sein möchte, oder sich einen anderen Platz in der Zugreihenfolge sichern. Der Wertigkeit der Mittelsmänner folgend, wählen dann alle anderen auch ihre Karte, dem Letzten bleibt natürlich keine Wahl mehr.

Diese Mittelsmänner bleiben für die Runde vor dem Sichtschirm und stehen erstmal nicht mehr zur Verfügung. Außer zum Auflösen von Gleichständen. Doch dazu später mehr.

Der Startspieler fängt nun an, zwei seiner Mittelsmänner einzusetzen. Einen verdeckt, also ohne seine Wertigkeit zu offenbaren, den anderen mit der Zahl nach oben. In irgendeine Gegend eines beliebigen Stadtteils oder auf ein Feld des Marktes. Alle anderen Spieler machen es ihm nach. Insgesamt setzen alle viermal pro Durchgang, sodass jeder acht Mittelsmänner einsetzt. Der Letzte der elf Mittelsmänner kommt zum Schluss der Runde vor den Sichtschirm und gesellt sich zu den beiden anderen Holzklötzen, die dort noch stehen. Zusammen ergeben sie dann die Summe, mit der jeder Spieler erhofft Gleichstände bei der Wertung der einzelnen Stadtteile für sich entscheiden zu können.

Nun werden alle Mittelsmänner umgedreht und ihre Wertigkeit schonungslos offenbart. Nun werden die Stadt und danach der Markt ausgewertet. Die Reihenfolge der Stadtviertel ist dabei egal.

Palastgegend:

Wer in einer Palastgegend eines Viertels die Mehrheit hat (höchste Summe der Werte seiner Mittelsmänner), erhält die neben dem Stadtviertel aufgedeckt liegende Personenkarte. Diese Karten geben Siegpunkte oder sehr starke Sonderaktionen, die ich in den folgenden Runden nutzen kann. Gleichstände werden, wie schon angedeutet, durch die vor dem Sichtschirm verbliebenen Mittelsmänner entschieden. Wer hier die höchste Summe hat, entscheidet den Gleichstand für sich. Reicht das nicht, muss die Zugreihenfolgekarte herhalten. Hier gewinnt derjenige den Gleichstand, der die niedrigste Zahl vor sich liegen hat.

Geschäftsgegend:

Hier erhält derjenige mit dem höchsten Wert drei Siegpunkte.

Hafengegend:

Der Gewinner in dieser Gegend erhält einen schwarzen Edelstein. Eine besondere Sorte, die man nur in der Hafengegend bekommt und die am Ende extra gewertet wird.

Ganzes Viertel:

Wer die Mehrheit im gesamten Viertel, also den drei Gegenden zusammengenommen, hat, der darf sich von den vier Edelsteinen, die auf dem Schiff im Hafen liegen, zwei aussuchen. Der Zweite darf noch einen wählen und der Dritte nimmt, was übrig ist. Ein etwaiger Vierter geht leer aus.

Markt:

In meinen Augen der Clou an diesem Spiel ist die Marktwertung und die daraus resultierenden Anforderungen an die Spieler! Man setzt auf ein Feld des Marktes und bietet gleich zweifach: einmal auf den Extra-Edelstein (Zeile) und einmal auf die Wertigkeit der Edelsteinsorten, deren Wert unterhalb der Marktspalten abzulesen ist. Wer nun die Mehrheit in einer Spalte hat, darf sich den dort liegenden Edelstein nehmen. Bei Änderung der Edelsteinsortenwertigkeit wirken nun aber die Mittelsmänner aller Spieler ein! Welche Edelsteinsorte den höchsten Wert in ihrer Spalte der Mittelsmänner aller Spieler erreicht hat wird in seiner Wertigkeit um zwei Felder nach oben verschoben. Die Edelsteinsorte mit dem zweithöchsten Wert wird noch um ein Feld nach oben geschoben. Die Edelsteinsorte mit dem dritthöchsten Wert sinkt ein Feld und die vierthöchste (oder niedrigste) sinkt um zwei Felder!

Auf diese Weise wird im gesamten Spielverlauf Einfluss auf den Wert der eigenen gesammelten Edelsteine genommen. So ist es möglich, dass man Edelsteine sammelt, und zwar entsprechend ihres zu erwartenden Wertes oder man versucht aktiv die Sorte zu pushen, von der man am meisten Steine hat. Eine Mischung aus beiden ist sicherlich die erfolgversprechendste Variante, aber auch die anspruchvollste!

Eine kleine, oft vergessene Regel ist, dass jeder Mittelsmann auf dem Markt einen sofortigen Siegpunkt bedeutet. Das ist interessant für jeden Spieler und der Motor dafür, dass fleißig auf dem Markt eingesetzt wird und sich die Werte der Edelsteinsorten ständig ändern.

Nach vier Runden ist das Spiel auch schon um. Jeder zählt seine Steinchen und nun wird abgerechnet! Es wird geguckt, welche Edelsteinsorte die wertvollste ist. Derjenige, der in dieser Sorte die meisten Steine hat, bekommt 24 Siegpunkte. Der Zweitplazierte bekommt noch 18 Punkte, die folgenden Platzierungen je zwölf und sechs Punkte. Die zweitwertvollste Edelsteinsorte sorgt bei allen Beteiligten, je nach Platzierung, für 20, 15, zehn oder fünf Punkte. Dann werden noch die drittwertvollste Edelsteinsorte (16, 12, 8, 4) und die viertwertvollste Sorte (12, 9, 6, 3) gewertet. Am Ende folgen die schwarzen Edelsteine aus dem Hafen. Hierfür gibt es eine eigene Tabelle. Je nachdem, wie viele man sammeln konnte bekommt man Siegpunkte. Für einen schwarzen Edelstein gibt es einen Punkt, für zwei Edelsteine sind es schon vier Punkte, für drei 8, für vier 12, für fünf 16, für sechs 20 und ab sieben sind es 24 Siegpunkte.

Am Ende siegt der Spieler mit den meisten Punkten.

Ys ist ein Spiel mit recht klarer Struktur. Man setzt zwei Männchen auf den Spielplan und das war dann erstmal der eigene Zug. Dummerweise wird die Spieltiefe, die durch die Handlungsmöglichkeiten und die sich aus den eigenen Handlungen ergebenen Auswirkungen entsteht, viele Spielrunden mit Grüblern extrem ausbremsen. Es gibt verdammt viel zu bedenken und vor allem zu erahnen, da ja die Hälfte der Figuren auf dem Feld verdeckt ist. Das bedeutet ein wenig Überraschung, ein wenig wird gepokert, geblufft und gezockt mit den Einsätzen. Allerdings wird das Spiel dadurch nicht beliebig oder glücksabhängig. Wenn sich allerdings jemand aufmacht und seinen Zug durchoptimieren will, und die anderen Spieler dumm genug waren, ihm den letzten Platz in der Zugreihenfolge zu lassen, kann sich die angegebene Spielzeit durchaus verdoppeln. Dabei macht es einem das Spiel recht einfach: Man muss nur zwei Pöppel setzen - das ist alles! Es kann also auch sehr flott gehen. Wenn man nur will.

Die Art und Weise, wie der Marktmechanismus, das teilweise verdeckte Einsetzen der Mittelsmänner und das Sammeln von Edelsteinen miteinander verwoben sind, sucht seinesgleichen. Ich finde das sehr elegant und es entsteht der Eindruck, ein sehr gut durchdachtes Spiel vor sich zu haben.

Schön eingeflochten finde ich die Auflösung von Gleichständen. Gibt es in vielen anderen Mehrheitsspielen komplizierte Gleichstandbedingungen in den Regeln, ist hier jeder selber dafür verantwortlich. Da die eingesetzten Werte keine riesigen Differenzen haben, und nicht jede Gegend mit Mittelsmännern übervölkert ist, sollte man sich gut überlegen, wie man denn bei Gleichständen gerne dastehen will. Dazu kommt die Überlegung, wo man in der Zugreihenfolge sitzen will. Weiter hinten garantiert bestmögliche Reaktionsmöglichkeit auf die Aktionen der Mitspieler. Bei Gleichständen kommt es aber durchaus mal vor, dass die Zugreihenfolge über den Gewinn des Gleichstandes entscheidet. Da sitzt man besser weiter vorne in der Reihe!

Wer es noch etwas doller mag, spielt die Variante “Gunst des Königs”. Hier kann nach der Abrechnung einer Runde ein Mittelsmann losgeschickt werden und um die Gunst des Königs zu buhlen. Einer der drei vor dem Sichtschirm platzierten Mittelsmänner zieht los und bleibt für den Rest des Spiels im Thronsaal. Ersatz bekommen wir aus dem Vorrat. Am Anfang des Spiels wurden drei “Zweier”-Mittelmänner je Farbe zur Seite gelegt. Einer wandert für den Königsgünstling hinter den eigenen Sichtschirm. Am Ende entscheidet hier die Summe der eigenen Günstlinge noch mal über zwölf, sieben, drei oder gar keine Punkte.

Weiterhin wird noch eine YsExpress-Variante angeboten. Hierfür werden zwei Mittelsmänner aussortiert und man spielt bloß mit neun Pöppeln. Eingesetzt werden dann nur sechs pro Durchgang und so ergeben sich schnellere Runden.

Zu dritt soll man sich entscheiden, ob man das Spielfeld verkleinert oder nicht. Ein Viertel kann man weglassen um das Spiel schwieriger zu gestalten. Weiterhin fällt eine Marktzeile weg.

Zu zweit wird die Spielfeldverkleinerung obligatorisch. Außerdem spielt eine weitere Farbe mit. Jeder Spieler bekommt vier Mittelsmänner der neutralen Farbe und setzt je einen davon bei seinem Zug verdeckt ein. Auch dieser Spieler nimmt an der Wertung teil und klaut so viele Steine. Was von vielen sicherlich als Haken angesehen wird, funktioniert hier eigentlich sehr gut. Ähnlich gut, wie bei Mykerinos, wo man die neutrale Spielfarbe sehr gut benutzen kann um zu blocken. Bei Ys wird die neutrale Farbe zur Bedrohung der eigenen Mehrheit in der entsprechenden Gegend und im ganzen Stadtviertel. Klar muss man die Waage halten zwischen Schaden, den man dem Gegenspieler zufügen will und den Mittelsmännern, die man sich eventuell selber in den Weg wirft!

Ein paar Worte noch zur Regel und dem Material. Die Regel ist eigentlich sehr gut geschrieben, klar strukturiert und logisch aufgebaut. Spieler, die sich mit Spielen der Gewichtsklasse von Ys auskennen, dürften kein Problem haben, sich die kleinen Lücken zu erschließen. Leute, die nicht daran gewöhnt sind, werden in manchen Situationen ist schwimmen kommen. So wird in der Regel z.B. erwähnt, dass in der Abrechnungsphase die gewonnenen Edelsteine erstmal vor dem Sichtschirm gelagert werden. Es wird aber nicht weiter erwähnt, ob diese irgendwann hinter den Sichtschirm verfrachtet werden dürfen. Diese Option macht das Spiel spannend und man muss gut aufpassen, was der Gegner so sammelt. Andersherum wird es sehr taktisch, wenn man jederzeit den Vorrat der anderen Spieler einsehen kann. Erfahrene Spieler machen daraus eine Variante oder leiten die Lösung aus der Formulierung “zunächst vor den Sichtschirmen der Spieler abgelegt” ab und verfrachten die Steine nach der Wertung hinter den Sichtschirm.

Das Material ist sehr schön. Die Sichtschirme könnten etwas stabiler sein, aber in welchem Spiel mit Sichtschirmen hat man darüber nichts zu meckern? Seit der zweiten Auflage gibt es anstatt schönen Glassteinchen Holzklötzchen als Edelsteine. Früher konnten diese über die Website von Ystari nachbestellt werden. Das geht mittlerweile nicht mehr. Ebenso konnte man dort die Erweiterung Y+ bestellen. Spielbar mit bis zu sechs Spielern wurde es dann (entsprechende Felder auf dem Markt sind schon in der Basisversion auf dem Spielplan vorgesehen) und weitere Personenkarten standen damit zur Verfügung. Auch die ist leider nicht mehr erhältlich. Da hab ich auch zu lange gezögert. Allerdings kosteten beide Sortimente je 10€ (im Ystari-Shop plus Versand oder auf der Spiel) und waren nicht ganz billig. Lange Zeit gab es die Glassteine bei spielmaterial.de und man konnte seine Zweitauflage aufwerten. Aber auch da finde ich die mittlerweile nicht mehr.

So bleibt zu sagen, dass ich sehr glücklich bin, dass es eine zweite Auflage gab und ich mir das Spiel somit zulegen konnte, da ich es bei der ersten Auflage verpasst hab. Allerdings ist es eine leicht abgespeckte Version. Das bleibt aber hinter dem tollen Spiel zurück, dass meiner Meinung nach neben Raja und Louis XIV. an der Spitze der Mehrheitsspiele steht.

Viele schöne Bilder vom Spiel finden sich in der Datenbank von Boardgamegeek.com .

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