Dienstag, 4. Dezember 2012

Aus dem Tagebuch eines Spieleautoren - Teil 2: First Flush

Seit Jahren - Jahrzehnten - hege ich eine intensive Leidenschaft für Tee. Richtigen Tee. Den Tee, den man aus der Teeplanze gewinnt. Ich weiß: Das Wort "Tee" hat sich auch für "aromatische Heißwasseraufgüsse" aller Art und Geschmacksrichtung eingebürgert. Aber Tee bleibt für mich Tee.

Einige meiner liebsten Spiele sind Erntespiele. Antiquity (Splotter Spellen, 2004), Vor den Toren von Loyang (H@ll Games, 2009), Agricola (Lookout Games - jetzt Lookout Spiele, 2007), Puerto Rico (Ravensburger (Alea), 2002). Ich wollte ein Erntespiel um Tee machen.

Das Schwierige dabei ist, das Tee nunmal Tee ist. Es ist die immer gleiche Pflanze (mit unterschiedlichen Arten, aber ich weiß nicht, ob das Sinn hat dies in einem Spiel zu unterscheiden). Es gibt also nur eine Sache zu Ernten: Tee. Die einzige Möglichkeit hier unterschiedliche Kriterien unter zu bringen wären Menge und Qualität. Das mit der Qualität hat VINHOS (What's your game, 2010) bezogen auf Wein ganz gut vorgemacht. Dort hat der Wein eine Ziffer. Je höher die Ziffer, desto höher die Qualität des Weins. In VINHOS empfinde ich die Sache zwar interessant, aber auch sehr mathematisch. Man erntet keinen Wein, sondern eine Zahl. Ok, in anderen Spielen erntet man Holzspielsteine oder Pappmarken. Aber für mich besteht ein gefühlter Unterschied. Menge ist ein zweischneidiges Schwert. Wie schwer Mengen im Griff zu halten sind zeigt z.B. Opera (The Game Master, 2009). Dort ist Geld im Verlauf des Spiels erst furchtbar knapp und am Ende so viel vorhanden, dass das Spiel ins Lächerliche driftet. Und ich mache mir nicht die Illusion ein guter Spieleautor zu sein. Verliert man die Konrolle über Mengen, gibt es zusätzlich Spielmaterialprobleme. Diesem Problem will ich mich nicht stellen, weil ich auch darin keinen Spielreiz vermute.

Trotzdem gab es einen ersten Entwurf für "First Flush". First Flusch ist die Frühjahrsernte im Tee und ein super Name für ein Spiel. Gemäß meiner derzeitigen Art Spiele zu benennen müsste es eigentlich Tee-Bauer heißen. Aber mit dem Namen gibt es schon ein anderes, kleineres Spiel.

Ich hatte mir einen Aktionsmechanismus ausgedacht, der zusammen mit einem Arbeitermanagement funktioniert. Die Aktionen waren eine Kombination aus Puerto Rico (einer bestimmt die Aktion, die alle Spieler durchführen) und Rise of Empires (Phalanx Games, 2009). Bei Rise of Empires setzt man in einer Runde Aktionsmarker auf bestimmte Aktionen. In der folgenden Runde muss man genau diese Aktionsmarker wieder wegnehmen und exakt die gleichen Aktionen machen. Man legt sich also gleich für 2 Runden fest. Dort ist das Ganze gepaart mit einer Reihenfolgeproblematik.

In meinem Aktionsmechanismus setzte man Marker auf die sechs Aktionen, die kreisförmig angeordnet waren. Zwischen den Runden durfte man die Marker auf Nachbarfelder verschieben um weniger abhängig von den zuvor gewählten Aktionen zu sein. In der Folgerunde nahm man die Arbeiter zurück um Aktionen auszulösen. Diese Arbeiter brauchte man auch um sie zur Arbeit auf dem eigenen Tableau zu schicken. Dort sollten sie Ernten, Tee transportieren, Tee verarbeiten (um schwarzen Tee, grünen Tee, Oolong, etc. zu machen), Tee verladen, etc.

Durch das "Hin und wieder weg" auf den Aktionsfeldern ergab sich eine Unwucht auf dem eigenen Plantagentableau. In der einen Runde konnte man viel machen, in der anderen nicht, da man die Arbeiter auf den Aktionsfeldern brauchte. Auch waren die Überlegungen, welche Aktion man wählt und welche Optionen man durch das Verschieben auf Nachbaraktionen für die nächste Runde man gerne offen haben möchte zwar reizvoll, aber es entwickelte sich ein sehr langes, zähes Spiel.

Erstaunlich finde ich noch heute, dass es Tester von damals gibt, die mich auf das Spiel ansprechen und fragen, ob ich noch weiter dran arbeite. Die Antwort ist zwar, dass ich das Spiel noch nicht verworfen habe, aber es komplett neu gestalten möchte. Und dafür fehlt mir im Moment die Zeit und auch die guten Ideen. Erstaunlich auch, wie knallhart diese lieben Menschen sind, die meine unreife Spielidee damals spielten, denn sie testen noch heute meine Spiele...

Dieses Jahr gab es für mich nach der Messe in Essen ein Aha-Erlebnis. Und zwar mit dem Spiel Keyflower (R&D Games, 2012). Dort muss man Waren über die eigenen Dorffelder zu den passenden Orten transportieren. Bei First Flush musste man den Tee von den Feldern in die Weiterverarbeitung und von dort zum Hafen transportieren. Meine Idee hat einfach nicht so richtig funktioniert. Das Logistikspielchen im Spiel war lahm und träge. Keyflower hat ein ähnliches System und es funktioniert wunderbar und einwandfrei. Genau so was hätte ich damals für First Flush gewollt. Falls ich mich nochmal an First Flush ransetze, werde ich das System aus Keyflower adaptieren und versuchen meine eigene Version davon zu kreieren.


 P.S. Ich hab irgendwo noch Fotos zu Hause aufm Rechner von den damaligen Testspielen. Die werde ich nachreichen.
P.S.S. Es könnte der Eindruck entstehen, ich würde Opera nicht mögen. Das ist nicht der Fall. Ich halte es sogar für eines der interessanteren Spiele seines Jahrgangs, wenngleich es mir wie eine Puerto Rico-Variante erscheint. Das Geldproblem in dem Spiel ist aber ein Fakt, dem der Autor mit einer kleinen Regeländerung abhilfe schafft. Auf Boardgamegeek veröffentlichte er eine Variante (Opera Allegro), die die Zeitabschnitte II und III je eine Runde kürzt. Ich habe das so bisher einmal gespielt und zumindest die Geldsache ist dadurch sehr stark verbessert. Ob sich Ungleichmäßigkeiten bei den anderen Spielelementen ergeben kann ich aber nach einer Partie nicht überblicken.

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